Die einfache Schriftformklausel
In Arbeitsverträgen wird zwischen deklartorischen und konstitutiven Schriftformklauseln unterschieden.
Deklaratorische Klauseln ordnen aus Gründen der Beweisbarkeit die Einhaltung der Schriftform an. Sie sind unproblematisch.
Konstitutive Klauseln bestimmen dagegen, dass Änderungen und Ergänzungen des Arbeitsvertrages bereits zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedürfen. Die Einhaltung der Schriftform ist in diesem Fall eine Voraussetzung für die Änderung oder Ergänzung des Vertrages. Fehlt es an der Schriftform, soll die Ergänzung oder Änderung im Zweifel unwirksam sein, was aus § 125 Satz 2 BGB folgt.
Allerdings kann das Schriftformerfordernis jederzeit formlos aufgehoben werden. Einfache Schriftformklauseln bleiben damit in der Praxis ohne große Wirkung. Die Vertragsparteien können – ungehindert durch die Schriftformklausel – ein für Vertragsänderungen oder -ergänzungen vereinbartes Schriftformerfordernis schlüssig und formlos aufheben (BAG, Urteil vom 20.05.2008, 9 AZR 382/07 – Rn 17) und damit den Weg für die Vertragsänderung oder -änderung frei machen. Das ist selbst dann möglich, wenn beide Seiten dabei gar nicht an die Schriftform gedacht haben.
Doppelte Schriftformklauseln
Die doppelte Schriftformklausel soll dieses Ergebnis verhindern, indem sie ergänzend bestimmt, dass die Schriftformklausel ihrerseits nur schriftlich abgeändert werden kann. Die Schriftformklausel soll also nicht stillschweigend oder mündlich aufgehoben werden können.
In Formulararbeitsverträgen können doppelte Schriftformklauseln freilich nicht verhindern, dass es durch eine Individualvereinbarung zur Vertragsänderung kommt. Der Grund liegt darin, dass Individualvereinbarungen stets Vorrang vor allgemeinen Geschäftsbedingungen (Formularklauseln) haben, wie sich aus § 305b BGB ergibt. Das gilt folgerichtig auch für mündlich getroffene Individualvereinbarungen. Es bleibt somit dabei, dass sich die Individualvereinbarung gemäß § 305b BGB trotz doppelter Schriftformklausel direkt gegen allgemeine Geschäftsbedingungen durchsetzt.
Aus diesem Grund kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, ob im Falle von Individualvereinbarungen die doppelte Schriftformklausel einer AGB-Kontrolle standhalten würde.
Betriebliche Übung und doppelte Schriftformklauseln
Eine doppelte Schriftformklausel kann allerdings das Entstehen einer betrieblichen Übung verhindern (BAG, Urteil vom 20.05.2008, 9 AZR 382/07 – Rn 34). Denn die betriebliche Übung ist keine individuelle Vereinbarung im Sinne von § 305b BGB. Eine Individualvereinbarung setzt voraus, dass sie direkt zwischen zwei Personen individuell vereinbart wird. Daran fehlt es bei einer betrieblichen Übung (BAG, Urteil vom 20.05.2008, 9 AZR 382/07 – Rn 30).
Zwar lässt auch eine betriebliche Übung letztendlich einen Anspruch des Arbeitnehmers entstehen, jedoch ist die Entstehungsgeschichte eine andere. Eine betriebliche Übung entsteht dadurch, dass sich der Arbeitgeber gegenüber einer Vielzahl von Arbeitnehmern in einer bestimmten Weise verhält (BAG, Urteil vom 21.04.2010, 10 AZR 163/09 – Rn 11), zum Beispiel indem er vorbehaltslos Weihnachtsgeld zahlt. Allein dieses Verhalten lässt auf Seiten des Arbeitnehmers den Anspruch entstehen (= Vertragsänderung!), selbst dann, wenn sich der Arbeitgeber gar nicht binden wollte, es an einer Vereinbarung mit den einzelnen Arbeitnehmern fehlt.
Wenn nun eine doppelte Schriftformklausel bestimmt, dass es nur dann zur Vertragsänderung kommt, wenn zuvor die Schriftformklausel „überwunden“ wird, kann die betriebliche Übung gar nicht erst entstehen. Die Schriftformklausel hat dann die gleiche Wirkung, wie ein Vorbehalt, den der Arbeitgeber bei der Zahlung macht. Anders als bei einer Individualvereinbarung kommt es nun darauf an, ob die Schriftformklausel wirksam ist.
Unwirksame Schriftformklauseln
Doppelte Schriftformklauseln sind in einem vorformulierten Arbeitsvertrag insgesamt unwirksam, wenn sie nicht zwischen Individualvereinbarungen und betrieblicher Übung unterscheiden. Eine Schriftformklausel ist unwirksam, wenn sie beim anderen Vertragsteil den Eindruck erwecken will, selbst eine mündliche Vereinbarung sei entgegen § 305b BGB unwirksam. Die zu weit gefasste Schriftformklausel wäre demnach geeignet, den Arbeinehmer von der Durchsetzung der ihm in Wahrheit zustehenden Rechte abzuhalten. Bereits diese Irreführung des anderen Vertragsteils benachteiligt ihn unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 BGB. Denn der Arbeitnehmer wird möglicher Weise davon abgehalten, sich auf alle ihm zustehenden Rechte zu berufen (BAG, Urteil vom 20.05.2008, 9 AZR 382/07 – Rn 39).
Nach der aktuellen Rechtssprechung kann (noch) eine doppelte Schriftformklausel bei sorgfältiger Formulierung das Entstehen von Ansprüchen aus betrieblicher Übung verhindern, nicht aber das Entstehen von Ansprüchen aufgrund von mündlichen Individualvereinbarungen. Es bleibt daher abzuwarten, wo die Grenze zwischen Individualvereinbarung und betrieblicher Übung zu ziehen ist(vgl. BAG, Urteil vom 21.04.2010, 10 AZR 163/09 – Rn 14) und ob eine stillschweigende Individualvereinbarung gibt oder eine betriebliche Übung auch gegenüber einem einzelnen Arbeitnehmer entstehen kann. Abzuwarten bleibt, ob es dann dabei bleibt, dass eine doppelte Schriftformklausel das Entstehen von Ansprüchen aus betrieblicher Übung verhindern.
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Rechtsprechung zu Schriftformklauseln finden sie hier